Die Rolle der Atemkontrolle im Kendo (VII)

Erschienen in : Kendo World Magazine 2.3 2004
Autor: Steven Harwood
Übersetzung: Stefan Alpers
Veröffentlicht mit freundlicher Erlaubnis des Kendo World Magazine

掛かり稽古

(KAKARI-GEIKO)

Kakari-geiko ist definiert als:
“Eine Übungsmethode, in welcher jemand mit weniger Fertigkeiten bei jemandem mit mehr Fertigkeiten übt und dabei alle Techniken, die er gelernt hat, ausführt aber keine Angst haben muss, geschlagen oder geblockt zu werden. Es sollte energisch betrieben werden, jeweils nur für eine kurze Zeitspanne mit steigendem Engagement, und das solange, wie man dazu in der Lage ist.“

Unter Beachtung dieser Definition möchte ich die Nebenbedeutungen des Begriffes steigendes Engagement betrachten. In kakari-geiko muss man seine geistige Stärke steigern, sein kiryoku, in anderen Worten, es wird von einem erwartet, seinen psychologischen Zustand zu ändern. In der japanischen Kultur wird das kikai (wörtlich der ki-Ozean) für die Quelle von kiryoku gehalten, das ein anderes Wort für tanden ist – der Teil des Unterbauches, der für Zwerchfellatmung wesentlich ist. Also liegt in der Definition des Begriffes „steigendes Engagement“ nicht nur eine psychologische Bedeutung, sondern auch die physiologische Bedeutung, den Unterkörper zu stärken, und die atmungstechnische Bedeutung, den Unterbauch mit Luft zu füllen.

Es ist wichtig, dass einem, wie bei kiri-kaeshi, der Gegenüber erlauben wird ihn (relativ) ungestraft zu treffen, was das Element des psychologischen Drucks entfernt, welches beim freien Üben gefunden wird, und einem erlaubt daran zu arbeiten, seine Konzentration und die Qualität der Technik aufrechtzuerhalten. Man kann sagen, dass auf dieser Stufe diese Art Druck bewusst entfernt wird. Mitsuhashi untersucht diesen Effekt im Zusammenhang mit der Atemkontrolle:

„In kakari-geiko muss man mehrere Techniken hintereinander ausführen, was einen dazu neigen lässt, die Kraft im Unterbauch zu verlieren. Also ist es wichtig danach zu streben sicherzustellen, dass das nicht passiert. Wie bei kiri-kaeshi muss man nicht befürchten, vom Gegenüber geschlagen zu werden, man kann sich um diesen Aspekt kümmern und deswegen ist es ein besonders effektiver Weg des Trainings. Ein starker Unterbauch und Zwerchfellatmung sind eng verbunden, also senkt man sein Zwerchfell und durch Zwerchfellatmung stellt man sicher, dass man dort stark bleibt.“

Da kakari-geiko wie kiri-kaeshi eine wesentliche Form von uchikomi-geiko ist würden wir erwarten, dass darin ein Element für Atemtraining enthalten ist. Allerdings sind, anders als bei kiri-kaeshi, bei kakari-geiko die Schlagziele und Anzahl der Schläge nicht vorherbestimmt. Ebenso wenig das Atmen. Allerdings sehen wir in der obigen Definition, dass kakari-geiko für kurze Zeitspannen durchgeführt werden sollte und für so lange, wie man es aushalten kann und wenn man es auf diese Weise übt, sollte man es in einem Atemzug üben. Wenn in einem Atemzug geübt, falls man beginnt von to-maai zu schlagen und kontinuierlich kiai zu machen, ist die maximale Anzahl von Schlägen, die man machen kann, fünf oder sechs.

Bei kakari-geiko muss man auf das Öffnen des Gegenübers antworten und dann wieder auf seine Reaktion antworten, was üblicherweise zu mehrfachen Techniken oder nidan oder sandan oder renzoku-waza führt. Watanabe schreibt folgendes über renzoku-waza:

„Wenn man schlägt und dann zum nächsten Schlag übergeht, falls man dann einatmet, ist es nicht nidan-waza. Das ist nur Wiederholung eines einzelnen Schlages. Eine renzoku-waza ist, wo man schlägt ohne zwischen den Schnitten zu atmen, entweder in dem man den Atem anhält oder die ganze Zeit ausatmet.“

Also wenn man über renzoku-waza im Zusammenhang mit Atemkontrolle nachdenkt können wir sehen, dass, falls man bei der Technikausführung einatmet, diese jeweilige Technik endet und die nächste beginnt. Der Atem unterstreicht den Rhythmus der Technik und macht renzoku-waza unmöglich. Um also zu lernen, wie man renzoku-waza ausführt, muss man entweder fähig sein, den Atem anzuhalten (und angesichts der Erfordernis, kontinuierlich kiai zu machen, ist das keine brauchbare Option) oder für eine beachtliche Zeitspanne auszuatmen.

In dieser Ausgabe und in der letzten haben wir gesehen, dass sowohl kakari-geiko als auch kiri-kaeshi, obwohl nicht oft in Begriffen der Atemkontrolle erfasst, Anforderungen an die Atemkontrolle des Übenden stellt. Wir haben gesehen, dass auf dieser relativ einfachen Stufe von Übungsformen der Übende ermutigt wird, so selten wie möglich einzuatmen und Atemkontrolle zu benutzen, übergangslose und unpunktierte Mehrfachtechniken auszuführen. Wir haben auch gesehen, dass Atemkontrolle als eng mit dem psychologischen Inhalt der Kendo-Technik verbunden angesehen wird (von der wir bald mehr untersuchen werden).