Hito no hyoteki tare

(Hebe dich von der Masse ab, sei das, wonach andere streben)

Saito Denkibo (1550 – 1587)

Schüler von Tsukahara Bokuden und Gründer der Ten-ryū.

Tsukahara Bokuden, der in den letzten Ausgaben die Hauptrolle spielte, hatte viele Anhänger, die ebenfalls als große Krieger glänzten. Von diesen war Saito Denkibo einer der auffallendsten, wenn nicht sogar der Streitsüchtigste. Denkibo wurde in einem kleinen Dorf in Hitachi (in der heutigen Präfektur Ibaraki) geboren. Er lernte Schwert und Speer von Bokuden. Denkibo war nicht froh darüber, von Bokuden zu lernen, da es in der Region schon viele Leute gab, die ebenfalls Schüler von Bokuden waren. Das würde es schwierig machen, sich einen Namen zu machen und er wollte sich wirklich von der Masse abheben und etwas anderes machen.

Er entschied, eine Wallfahrt zum Hachimangu Schrein in Kamakura zu machen. Dort hatte er eine Vision, die ihn zum Namen seiner Schule inspirierte, der Ten-ryū, auch bekannt als Tendō-ryū. Er setzte sein Training fort und machte sich auf den Weg zur Hauptstadt, wo er viele Schüler anzog und ihm sogar ein offizieller Titel verliehen wurde. Der extravagante und auffallend arrogante junge Denkibo kehrte dann in seine Heimatstadt in Hitachi zurück, sehr zur Überraschung aller, die den Burschen kannten, bevor er zu seiner Irrfahrt loszog. Dort bezeichnete er sich selbst mit irgendeinem fantastischen offiziellen Titel als Gründer eines neuen Fechtstils, den er „Weg des Himmels“ nannte! Daneben trug er einen lächerlich gefiederten Mantel, der an die erinnerte, die von den legendären tengu getragen wurden, jenen mystischen Wesen halb Krähe, halb Mensch, die ausgezeichnete Schwertkämpfer waren.

Seine Eitelkeit erinnerte genauso gut an einen tengu, und es gab viele Menschen, die neidisch auf Denkibo waren und Vorbehalte gegen seine Dreistigkeit, die in ziemlichem Kontrast zum heiteren Charakter Tsukahara Bokudens stand, hatten. Einer seiner leidenschaftlichsten Hasser war Shinkabe Aki-no-kami Ujimoto. Er hielt Denkibos Weise für unehrenhaft. Shinkabe hatte einen Schüler, einen Jüngling mit dem Namen Sakurai Kasumi-nosuke, der erhebliches Talent in den Kampfkünsten besaß. Die, die Denkibo nicht mochten, sahen Sakurai als möglichen Streiter für sie an und versuchten, ihn zu ermutigen, Denkibo ein für alle mal seinen Platz zu zeigen. Empörte Bemerkungen gab es viele. „Denkibo! Hah! Er ist totes Fleisch. Ich werde das gefiederte Vogelhirn mit einem Schlag töten!“. Denkibo hörte von diesem prahlerischen Ausspruch und forderte Sakurai zu einem Duell. Das war das Ende von Sakurai. Er wurde gnadenlos mit einem einzigen Schlag entzwei gehauen. Der Unterschied in ihrem Können war beachtlich und Denkibo hätte den armen Burschen vielleicht nicht töten müssen. Das war allerdings typisch für Denkibos streitsüchtige Natur. Shinkage war erzürnt, als er von der vorzeitigen Schlachtung seines Schülers hörte und entschied, Rache zu nehmen. „Bring mich nicht zum Lachen, alter Mann! Du wirst nur eine weitere Kerbe in meinem Schwert sein“, spottete Denkibo, als er sich auf den Weg zum vorgesehenen Kampfplatz machte. Shinkabe wartete allerdings mit zehn Soldaten als Verstärkung. Als Denkibo das Tempelgelände betrat, wurde er mit einem Pfeilhagel begrüßt. Er schlug mit seiner langstieligen Sichel einige Pfeile beiseite, wurde aberschließlich doch von zehn Pfeilen, die seinen Körper durchbohrten, tödlich verwundet. Er war 38 Jahre alt und sah nun aus wie ein Stachelschwein.

Viele Leute mochten Denkibo nicht und die Leser denken vielleicht, was für ein pompöser Trottel er gewesen sein muss mit seinem prahlerischen und protzigen Gehabe. Diese Show hatte allerdings ihren Zweck. Wegen seines hochmütigen Namens und bizarren Kleidergeschmacks wurden die Leute auf ihn aufmerksam. Er war das Zentrum ihrer Aufmerksamkeit und er war bereit, es mit jedem jederzeit und überall aufzunehmen.

Natürlich benötigt man stattliches Selbstvertrauen, sich so in die Schusslinie zu begeben. Er war ein Magnet für Ärger und musste es mit jedem Herausforderer aufnehmen, der sich traute, wobei er ständig sein Leben aufs Spiel setzte.

Eigentlich war Denkibo in diesem Sinne überhaupt nicht einzigartig. Viele wandernde Schwertmänner in der Geschichte trugen mit kühnen Aussagen bestickte Kleidungsstücke, um eine Reaktion zu provozieren, was hoffentlich zu einer Gelegenheit führte, ihre Fähigkeiten im Kampf auf Leben und Tod zu testen. Wenn sie verloren, wurden sie zum Gespött, aber der Punkt war, nicht zu verlieren. Solche Menschen waren entschlossen, sich zu verbessern oder dabei grässlich zu sterben. Zu diesem Zweck mussten sie auffallen. Sie brauchten die Aufmerksamkeit der Leute.

Maeda Toshiie, ein wohl bekannter Kriegsherr der Periode der „streitenden Reiche“ und ein Mitglied von Toyotomi Hdeyoshis Rat der „Fünf großen Alten“ sagte einmal: “Es ist gut für junge Leute, hier und da schockierende Dinge auszuprobieren.“ Mit anderen Worten, extravagantes Verhalten und Erscheinen ist etwas, was man nicht verachten muss und alle Leute müssten sich vielleicht in einer Lebensphase gehen lassen und auffällig sein. Bring dich in die Schusslinie und schau, wie gut du dich machst…

Erschienen in: Kendo World Magazine 2.2 2003, S. 70 – 71
Autor: Alex Bennett
Übersetzung: Stefan Alpers
Veröffentlicht mit freundlicher Erlaubnis des Kendo World Magazine