Das war die Frage, die ich für die Prüfung zum ersten Dan beantworten musste.
Reiho ist die japanische Übersetzung für Etikette. Unter Etikette versteht man im Allgemeinen das gute Benehmen bzw. die angemessenen Umgangsformen innerhalb eines bestimmten gesellschaftlichen Rahmens.
Die Beachtung dieser Umgangsformen stellt sicher, dass alles seinen geregelten, von der Gesellschaft akzeptierten Gang geht und so der Ablauf der Handlungen nicht gestört und verzögert wird. Wird die Etikette von allen eingehalten, so kann der Einzelne dem Handlungsablauf vertrauensvoll folgen und seine Konzentration dadurch, dass er die Handlungen „abspulen“ kann (jedoch ernsthaft durchführt), auf andere Dinge richten. Außerdem beweist er den anderen Personen der Gesellschaft seinen Respekt dadurch, dass er die Umgangsformen akzeptiert und ihre Bedeutung ernst nimmt.
Im Kendo hilft reiho also, dass die Übenden z.B. genau wissen, wann das Training beginnt und wann es endet (seiza) und wie sie sich dazwischen zu verhalten haben (kein Reden, Konzentration auf die einzelnen Übungen, …). Durch das rei vor und nach den Übungen wird den anderen Mitgliedern des Dojo Respekt vermittelt und man schließt eine stille Übereinkunft, das man miteinander fair trainiert, bzw. man bedankt sich, dass man mit dem anderen üben konnte. Ein Brechen dieser Regeln kann dazu führen, dass das Training leidet und Kendo nicht ernsthaft betrieben wird.
Die Bedeutung von reiho wird dem Kendoka nach und nach vermittelt (z.B. warum einige Lehrer das Shinai links vom Körper, andere rechts vom Körper ablegen) und hilft ihm, sich der tieferen Bedeutung von Kendo bzw. seines Hintergrundes bewusst zu werden. Schließlich hilft dem Kendoka die Etikette innerhalb des Dojo, seine Umgangsformen außerhalb des Dojo zu überdenken und gegebenenfalls seine Erkenntnisse nach außen zu übertragen.
Damit ist reiho ein essentieller Bestandteil des von der Zen Nippon Kendo Renmei formulierten Grundgedankens des Kendo:
„Die Idee des Kendô
Idee des Kendô ist es, den menschlichen Charakter durch Anwendung der Prinzipien des Schwertes zu schulen.
Die Übung des Kendô hat den Vorsatz
Geist und Körper zu formen,
eine starke Seele zu entwickeln,
durch korrektes und strenges Üben Fortschritt in der Kunst des Kendô anzustreben,
Höflichkeit und Ehre des Menschen zu achten,
mit anderen aufrichtig umzugehen
und unaufhörlich die persönliche Weiterentwicklung zu verfolgen.
So wird man fähig,
sein Land und die Gesellschaft zu lieben,
zur Entwicklung der Kultur beizutragen
sowie Frieden und Wohlergehen unter allen Völkern zu fördern.“
Dortmund, 23.01.2005
Stefan Alpers