Kata war im Kendo bzw. Kenjutsu schon immer ein Mittel, um den Schülern die Schwerttechniken beizubringen. Da mit der Zeit das Training mit Rüstung und Shinai immer mehr zunahm diente Kata aber auch dazu, den Schülern zu verdeutlichen, dass Kendo/Kenjutsu Kampf mit Schwertern inklusiver historischer und philosophischer Askepte ist.
Im Jahr 1906 beschloss die Dai Nippon Butokukai, ein allgemeine kata zu formulieren, die landesweit eine vereinheitliche Ausbildung an Schulen ermöglichen sollte. Watanabe Noburu (1838 – 1913) war der Vorsitzende des Kommitees und ihm zur Seite standen anfangs sechs weitere Experten verschiedener ryūha, die alle den Ehrentitel hanshi trugen. Später kamen noch sieben jüngere Experten dazu, die den Titel kyoshi trugen. Nach nur drei Monaten präsentierten sie dem Präsidenten des Butokukai ihr Ergebnis: die Dai Nippon Butokukai Seite Kenjutsu Kata. Sie bestand aus drei Formen:
- jōdan (ten = Himmel)
- chūdan (chi = Erde)
- gedan (jin = Mensch)
Sie stieß jedoch auf starken Widerstand innerhalb des Kommitees, da in der Kürze der Zeit kaum Zeit für Debatten und tiefere Diskussionen über den Inhalt möglich war. Es gab viele Gründe für diesen Widerstand, wovon die Benennungen der Angriffshaltungen der häufigste war. So wurde zum Beispiel das kamae, das in den meisten traditionellen ryuha hassō (Schwert wird vertikal an der rechten Seite des Gesichts gehalten) ähnelt, formal als chūdan (Schwert wird üblicherweise vor dem Körper in der Mitte gehalten) bezeichnet. Das zog den Zorn der Traditionalisten auf sich. Es scheint, dass trotz der illustren Schwertmänner in dem Kommitee der hohe soziale Stand und die autoritäre Herangehensweise von Watanabe jeden sinnvollen Dialog vereitelt hat.
Wegen dieses Widerstandes setzte sich die kata nicht durch und konnte ihre ursprünglich vorgesehene Funktion nicht erfüllen. Heute ist sie so gut wie vergessen.
Die folgenden Anweisungen stammen aus einem Artikel in Kendo World Magazine 5.2 (2010, S. 29-38), der auf einem Artikel aus Kindai Kendo-sho Shenshu (Nakamura Tamio (ed.), Vol. 1 S. 397-443, Honnotomosha) basiert.
No. 1 Dai-ippon (jōdan – ten)
- Sowohl uchidachi als auch shidachi halten das katana mit der linken Hand unter der tsuba, wobei die Klinge nach oben zeigt. Die rechte Hand soll auf natürliche Weise nach unten zeigen. Beide stehen sich in 8 Schritt Abstand voll Kampfgeist gegenüber und behalten immer Blickkontakt.
- Es erfolgt eine gemeinsame Verbeugung
- Beide rücken vom rechten Fuß aus vor, bis sie sich in einem Abstand von ca. 1,51 m gegenüber stehen.
- Beide ziehen ihre Schwerter, während sie sich in sonkyo hocken.
- Die Spitzen der Schwerte sollen sich kreuzen.
- Gemeinsames Aufstehen.
- Uchidachi nimmt jōdan-no-kamae (hidari shizentai) ein. Shidachi antwortet dementsprechend, indem er seigan-no-kamae einnimmt und drei große Schritte vorrückt, um den Abstand zu verringern.
- Uchidachi zeigt seine Absicht, shidachis rechtes kote zu schlagen. Als Antwort darauf bewegt shidachi die Klinge nach rechts, um sich auf den Angriff vorzubereiten.
- Uchidachi ruft „yaa!“ als er shidachis linken Arm diagonal schlägt. Shidachi hebt das Schwert gerade über den Kopf, während er mit dem linken Fuß zuerst nach hinten geht und so dem Angriff ausweicht.
- Shidachi zieht den rechten Fuß zurück neben den linken.
- Shidachi geht mit dem rechten Fuß einen kleinen Schritt vor und ruft, während er uchidachis Schwert runter schlägt, „tou!„
- Shidachi geht dann mit dem rechten Fuß einen weiteren Schritt vor und ruft „ee!„, während er nach uchidachis Brust sticht.
No. 2 Dai-nihon (chūdan – chi)
(Anmerkung: Es geht nach obigem Punkt 12 direkt weiter)
Sich ansehend bleibt uchidachi an Ort und Stelle und shidachi geht fünf Schritte rückwärts.
- Uchidachi nimmt chūdan ein und shidachi geht in die seigan-Stellung und geht dann drei große Schritte vor.
(Anmerkung: Die Stellung von uchidachi ähnelt eigentlich hassō, wurde aber als chūdan bezeichnet.) - Beide rufen gleichzeitig „yaa!„, während sie sich darauf vorbereiten, sich gegenseitig frontal anzugreifen.
- Beide rufen „tou!„, wenn ihre Schwerter aufeinanderprallen. Uchidachi schätzt shidachis Stärken und Schwächen ein und schaut nach einer Schlaggelegenheit.
- Uchidachi verdrängt shidachis Schwert.
- Uchidachi ruft „ee!„, während er nach shidachis Brust sticht, worauf shidachi seinen linken Fuß wegzieht.
- Uchidachis Stoß geht durch.
- Uchidachi verliert die Balance und shidachi ruft „ee!„, während er einen diagonalen Schnitt hinter uchidachis Rücken macht.
No. 3 Sanbon-me (gedan – jin)
(Anmerkung: Es geht nach obigem Punkt 7 direkt weiter)
- Uchidachi und shidachi nehmen gedan ein und gehen gleichzeitg bis auf acht Schritte Abstand auseinander.
- Beide gehen drei große Schritte vor. Wenn die Kampfdistanz erreicht ist, werden beide Schwerter angehoben.
- Beide nehmen voller Kampfgeist seigan ein.
- Uchidachi geht zurück in naname-gedan. (Anmerkung: Die Stellung von uchidachi ähnelt eigentlich wakigamae, wurde aber als naname-gedan bezeichnet.)
- Uchidachi ruft „yaa!„, während er vorwärts geht um shidachis Bein zu schneiden. Shidachi ruft „tou!„, während er seinen linken Fuß zurückzieht und den Angriff von uchidachi blockt, indem er sein Schwert vor das rechte Bein hält.
- Shidachi wechselt die Fußposition und zieht den rechten Fuß zurück.
- Shidachi zieht den linken Fuß zurück neben den rechten. Uchidachi nimmt seigan ein und geht einen kleinen Schritt vorwärts, woraufhin shidachi in die jōdan-Stellung geht.
- Shidachi geht vom linken Fuß aus vor führt einen geraden Angriff auf uchidachi aus.
- Uchidachi zieht den linken Fuß zurück, woraufhin shidachi mit dem rechten Fuß vorrückt und, während er „yaa!“ ruft, nach dem Kopf von uchidachi schlägt. Uchidachi blockiert den Angriff mit dem linken Fuß vorwärts.
- Die Schwerter sind gekreuzt.
- Beide gehen in sonkyo.
- Beide stecken ihre Schwerter ein.
- Beide stehen auf.
- Eine gemeinsame Verbeugung wird gemacht, um die kata zu beenden.
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